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Der folgende Text entstand als Diskussionsgrundlage aus Anlass des im Sommer anstehenden EU-Gipfels in Köln. Der erste Teil enthält Informationen aus staatlichen Quellen, der zweite Teil bezieht einige Publikationen mit ein, die sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzten.












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Sicherheit wird gross geschrieben1

Bei der Innen- und Rechtspolitik der EU sind nach Darstellung der Bundesregierung vor MigrantInnen, Drogen und polizeiliche Befugnisse von Belang. 2
Die rechtlichen Grundlagen für diese Themenkomplexe sollen bis 2002 europaweit vereinheitlicht werden. Insbesondere liegen die Anstrengungen in diesem Zusammenhang bei der Kontrolle von Zuwanderung.3
Auch für andere innenpolitische Bereiche wird ein gemeinsames Vorgehen angestrebt. So erlaubt der Vertrag über die Europäische Union von 1997 (Amsterdammer Vertrag) eine enge Zusammenarbeit der staatlichen Justiz- und Polizeibehörden. 4
Das bedeutet auf der Seite der Justiz unter Anderem: Für eine Europäische Polizeiarbeit wurden folgende Ziele formuliert: zurück
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Zwischenbilanz

Wenn in den ausgewerteten Publikationen der Bundesregierung und der Bundeszentrale für politische Bildung überhaupt über "Innere Sicherheit" informiert wird, geht es um illegale Einwanderung, "Rauschgift" (sic!) und „Organisierte Kriminalität".
Insgesamt war nichts darüber zu lesen, wie europäische Innenpolitik und Polizeiarbeit konkret aussehen soll. Mein Eindruck ist, daß die Regierung beim Schreiben der Blätter kein Interesse daran hatte, mich über das Themenfeld "Innere Sicherheit" umfassend zu informieren, sondern ein Bedrohungsszenario aufbaut. Mittels Worthülsen wie "gemeinsame Bewertung einzelner Ermittlungstechniken" die Qualität europäischer Innenpolitik eher verdunkelt denn beleuchtet.
Dies deckt sich mit der Einschätzung von Petra Hanf, Mitarbeiterin im Büro der grünen Europa-Abgeordneten Claudia Roth nachdem die Innenminister der EU, die über o.a. Themen bestimmen, Öffentlichkeit "[...] scheuen wie der Teufel das Weihwasser."8 , womit wir bei der Kritik wären.
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EUROPOL

Um die oben genannten Ziele der Europäischen Vernetzung des Fahndunsapparates zu erreichen, wurde die europäische Polizeieinheit EUROPOL gegründet. Sie arbeitet bereits seit 1994 ohne irgendeinen Parlamentsbeschluss, sei es auf na-tionaler oder auf europäischer Ebene. Die einzige Grundlage ihrer Arbeit ist eine Ministervereinbarung9 , d.h. es gibt keine gesetzliche Grundlage.
Um diesen Schwachpunkt zu beheben, wurde vom europäischen Ministerrat für Inneres und Justiz (Rat der Innenminister der EU-Staaten) die EUROPOL-Konvention erarbeitet. Auch bei dieser Konvention, die klar gesetzgebenden Charakter hat, wurde bei der Vorbereitung kein Parlament angehört. Selbst dem Innenausschuss des Europäischen Parlamentes wurde der Entwurf der EUROPOL-Konvention nicht zur Verfügung gestellt10.
Lediglich die Parlamente der Mitgliedsstaaten bekamen die Möglichkeit, den fertige Konvention zuzustimmen, nicht aber auf ihren Inhalt in irgend einer Weise Einfluss nehmen.11
Dieses Vorgehen, bei dem Regierungsvertreter eine EU-Konvention machen und die darin enthaltenen Bestimmungen durch Zustimmung der Nationalparlamente zur Grundlage der Gesetzgebung und Rechtspraxis der Mitgliedsstaaten wird, setzt die Gewaltenteilung de facto außer Kraft.
Die BRD hat die Konvention 1998 unterzeichnet12.

In ihr ist festgelegt, daß EUROPOL keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt13. Zur allen Fragen zu den Grundlagen polizeilichen Zusammenarbeit kann das Europäische Parlament nur Anfragen und Empfehlungen an den Ministerrat geben14.
Alleiniger Chef in Dienstangelegenheiten der EUROPOL-Direktor. Keine Regierung, kein Parlament kann die Dienstausübung EUROPOL-Beamten kontrollieren15.
Für die Nutzung von bedenkenswerten Maßnahmen, wie verdeckte Ermittlung, Schleierfahndung, ... enthält die Konvention nur Empfehlungen und keine klar definierten Regelungen.
Aber ohne irgendwie geartete Kontrolle ist es ohne Belang, welche rechtlichen Grundlagen EUROPOL-BeamtInnen in Ausübung ihres Berufes beachten müssen, weil sie sowieso machen können, was sie wollen!
Die Hauptaufgaben von EUROPOL sollen diejenigen sein, die von der Budesregierung wie schon oben gesehen als große Bedrohung entworfen werden: Drogen, Illegale EinwandererInnen16 und natürlich organisierte Kriminalität, die traditionellen Vehikel um eine härtere Gangart zu legitimieren.
Nach Meinung von Prof. Dr.Helmut Janssen, Kriminologe an der FH Erfurt, gibt es keine OK, zumindest nicht in der Form, wie sie in der Berichterstattung der bürgerlichen Medien und von RegierungspolitikerInnen dargestellt werden. Außerdem war Abschiebung schon immer Mord und Drogenpolitik symbolische Politik um vom Versagen der eigenen Sozialpolitik abzulenken. Es gibt keine Drogentoten, nur Opfer der Drogenpolitik
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alles registriert


Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten begehen wird
Auf Grundlage der Europol-Konvention wurde 1996 mit dem Aufbau einer EU-Datenbank begonnen, die Daten über Verdächtige, potentiell verdächtige und Verurteile enthält17, außerdem über Personen, "bei denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten begehen werden", also eigentlich über alle Menschen. Die Aufnehme von Personendaten in dieses Schengener Informationssystem (SIS) unterliegt keiner wie auch immer gearteten Kontrolle, Hinweise können also überall her kommen, auch von Geheimdiensten, Regierungen, Privatpersonen. Die Richtigkeit wird nicht kontrolliert18.
Das ermöglicht es beispielsweise der türkischen Polizei, Daten über PKK-sympathisantInnen an das SIS geben und damit verhindern, daß diese Personen in Europa einreisen und politisches Asyl beantragen können.
Die weitergehenden Möglichkeiten der Datensammlung erlaubt es den nationalen Polizeien, Daten, die sie nicht speichern dürften an die europäische Datei weiterzugeben und von da aus wieder zu benutzen19. Damit sind die Datenschutzbestimmungen der Mitgliedsstaaten faktisch außer Kraft gesetzt.
Eine Zahl macht die den Verschärfungen zu Grunde liegende Motivation klar: 86% der im Schengener Informationssystem (SIS) erfassten Menschen sind AusländerInnen aus Nicht-EU-Staaten, die abgeschoben werden sollen20. Es geht hier also gar nicht darum, EU-BürgerInnen vor Straftaten zu schützen. Zumindest das SIS ist eine überwiegend ausländerInnenpolitische Maßnahme.
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gerne mitgehört

Auch für die europaweite Überwachung der Telekommunikation sind weitreichende Massnahmen in Planung: In Zusammenarbeit mit dem FBI wird seit 1996 ein europäisches Abhörnetzwerk aufgebaut. Als Vorbild dient das anglo-amerikanische System Echelon - dieses durchsucht schon seit 1992 pro Stunde 2 Millionen Faxe, E-Mails und Telefongespräche nach Schlüsselwörtern und zeichnet sie gegebenenfalls auf- mit dem wichtigen Unterschied, dass beim europäischen System nach dem Willen der Innenministerkonferenz nicht nur Geheimdienste, sondern auch andere Behörden (z.B. Ausländerbehörde, Polizei, ...) die erlauschten Informationen nutzen können21.
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immer kontrolliert

Nach dem Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) von 1990 sollte in dem Maße, wie die Kontrolle an den innereuropäischen Grenzen abgebaut werden, die Schranken am Rand der EU aufgebaut werden. Es geschieht jedoch beides, nach außen wird aufgerüstet (Nachtsichtgeräte, CO2-Spürer und Bürgerwehren an der deutschen Ostgrenze) und die Binnengrenzen bleiben trotzdem zu.
Des weiteren werden europaweit in den Landes- und Bundespolizeigesetzen die polizeilchen Kontrollbefugnisse erweitert, z.B. durch die verdachtsunabhängige Personenkontrolle22.
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Zusammenfassung

Die Innen- und Rechtspolitik der Europäischen Union richtet sich mit großen Aufwand gegen Asylsuchende und ZuwandererInnen. In dem Rahmen, wie in der EU die Rechte der Exekutive (EUROPOL und Ministerrat für Inneres und Justiz) ausgebaut werden, werden BürgerInnenrechte und Datenschutzbestimmungen außer Kraft gesetzt.
In der öffentlichen Begründung für diese Maßnahmen werden von der Politik selbst erzeugte Positionen in der Bevölkerung genutzt:
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  1. wie übrigens alle Substantive
  2. Europäische Komission 1996; S.3
  3. Bundesregierung 1998; S.11
  4. Vertrag über die Europäische Union (EU) in der Fassung vom 2. Oktober 1997; Art. 29
  5. Vertrag..; Art. 30
  6. Vertrag..; Art. 31
  7. Bundesregierung 1998; S.11
  8. Roth 1995; S.4
  9. Busch 1995; S.19
  10. Roth 1995; S.6
  11. Roth 1995; S.4f
  12. telefonische Auskunft vom Büro der grünen EU-Abgeordneten Claudia Roth
  13. Bunyan 1995; S.18
  14. Holzenberger/Schubert 1998; S.13
  15. EUROPOL-Konvention Art. 30 I
  16. Weichert 1995; S.26
  17. Busch 1995; S.19
  18. Weichert 1995; S. 26
  19. Weichert 1995; S.26
  20. Busch 1998; S.17
  21. Wright 1998; S.48f
  22. Busch 1998; S. 6ff
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Verwendete Materialien

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